Seitdem ich mich mit Umweltschutz-Themen und der Klimakrise auseinandersetze, stelle ich immer wieder fest, wie festgefahren manche in ihrer Meinung sind und wie aggressiv – vor allem in den Sozialen Medien – diskutiert wird. Da knallen auf Facebook z. B. Klimawandel-Leugner auf Umweltschützler in „Nachhaltig leben-Gruppen“ und hauen sich (angebliche) Fakten um die Ohren, warum der Klimawandel eben menschengemacht ist oder nicht, beleidigen sich und keiner ist bereit, auf den anderen auch nur ein Stück zu zugehen. Die „Alten“ lästern über die „Jungen“, die auf die fridays for future-Demonstrationen gehen um danach angeblich übers Wochenende eine Städtereise per Flugzeug zu unternehmen und am Montag per Elterntaxi bis ins Klassenzimmer gefahren werden. Die „Jungen“ beschuldigen wiederum die „Alten“, allein am Problem Schuld zu sein, da sie ja diesen ganzen Konsumwahnsinn mitgetragen und nie protestiert hätten. Mich erschrecken diese Diskussionen und Schuldzuweisungen deshalb, da sie nicht zur Problemlösung beitragen: Wie wir Menschen mit unserem Planeten umgehen, ist meiner Meinung nach einfach nicht in Ordnung. Aber statt gemeinsame Lösungen zu finden, sind viele in ihrer Blase gefangen, geben den anderen die Schuld, zitieren fragwürdige Fakten und fühlen sich persönlich angegriffen, wenn jemand ihren bisherigen Konsum zumindest in Frage stellt.
Bevor ich daher auf das ganze Umwelt- und Klimaschutz-Thema in meiner #Umweltchallenge2020 eingehe, möchte ich ein paar Informationen und Hinweise vorwegschicken. Einige dieser Hinweise tauchen auch immer wieder in den Büchern auf, die ich zu diesem – oder zu anderen Themen – lese, und ich halte sie für extrem wichtig.
Vielleicht in diesem Zusammenhang auch kurz zu mir: Bevor ich angefangen habe, mich in das Thema einzulesen, war ich, glaube ich, relativ neutral und vielleicht auch naiv alledem gegenüber. Ich hab irgendwo vielleicht mal ein Bauchgrummeln verspürt, wie schnelllebig unsere Welt geworden ist und wie sich unser Konsum und die Digitalisierung entwickeln, aber habe mein eigenes Handeln nicht tiefer hinterfragt und mir gedacht: „Ach, das passt schon alles, das wird schon nicht so schlimm sein. Bzw. wenn es doch so schlimm sein sollte, müsste doch die Politik mehr eingreifen.“ Je mehr ich mich einlese, umso mehr denke ich: „Oh Gott, das ist ja doch schlimmer als gedacht. Aber warum reagieren gefühlt immer noch so wenige darauf? Und wie kann man den menschengemachten Klimawandel immer noch leugnen?“ Dabei stoße ich immer wieder auf folgende drei Themen: Confirmation bias, Kognitive Dissonanz und Lobbyarbeit.
Achtung: Ich habe keine Psychologie oder Ähnliches studiert, daher erkläre ich vielleicht etwas nicht hunderprozentig korrekt. Lies dich im Zweifel selbst in die Themen ein und versuche zu verstehen, worum es geht. Und hinterfrage dich dann selbst, ob du vielleicht in eine der drei „Fallen“ getappt bist.
Bestätigungsfehler / confirmation bias
Beim Bestätigungsfehler (im Englischen confirmation bias) geht es darum, dass wir Menschen uns Informationen so beschaffen und interpretieren, dass sie unsere Erwartungen meist bestätigen. Die Welt ist manchmal so komplex, dass wir nach Wegen suchen, sie für uns einfach zu halten. Wir entwickeln unsere eigene Vorstellung davon, wie etwas ist, und suchen anschließend nach Informationen, die diese Vorstellung bestätigen. Informationen, die unserer Vorstellung widersprechen, lesen wir entweder gar nicht, verwerfen sie als falsch oder glauben, sie seien eine Ausnahme. So verfestigen wir uns nach und nach in unserer Vorstellung und Meinung und es wird immer schwieriger, uns vom Gegenteil zu überzeugen.
Das Problem ist, dass die Sozialen Medien heutzutage unsere eigene Vorstellungsblase verstärken. Ein – vielleicht auch zu einfaches – Beispiel: Person X hat früher jeden Tag eine Stunde lang die Tageszeitung gelesen. Dort bekommt sie Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Sport, Kultur und Regionales mit. Natürlich muss sie auch hier nicht alles lesen, aber zumindest bekommt sie eine breite Themenwahl präsentiert. (Und natürlich kann auch bereits die Zeitungsauswahl dabei unterstützen, das eigene Weltbild zu festigen, z. B. wenn ich eine passende Zeitung zu meiner politischen Gesinnung auswähle.) Wenn diese Person sich heute ihre Nachrichten nur noch aus dem Newsfeed von Facebook zusammenstellt, wird die eigene Blase aber noch viel stärker ausgeprägt. Bedingt durch die Seiten, denen Person X auf Facebook folgt und deren Beiträge sie liked, zeigt Facebook nach und nach vielleicht nur noch bestimmte Themen und Meinungen an. Person X bekommt also ständig ihre eigene Vorstellung und Meinungen bestätigt und bekommt andere Themen gar nicht mehr mit bedingt durch Vorauswahl und Algorithmen.
Kognitive Dissonanz
Die kognitive Dissonanz beschreibt einen negativen Gefühlszustand, der durch nicht miteinander vereinbare Wahrnehmungen ausgelöst wird. Indem wir nach Ausreden oder andere Strategien (z. B. Schuldzuweisungen) suchen, versuchen wir, diese negativen Gefühle abzubauen und uns einzureden, dass doch alles ok ist oder eben wir nicht selbst Schuld an unserer Lage sind. Nehmen wir das fünfjährige Kind, das oben auf dem Schrank seine Lieblingsschokolade entdeckt. Es ist jedoch zu klein, um dran zu kommen. Selbst auf den Stuhl klettern hilft nicht. Statt sich einzugestehen, dass es einfach nicht selbst drankommt, und jemanden um Hilfe zu bitten, redet es sich ein, dass die Schokolade eh bestimmt schon schlecht ist, weil sie so lange da oben steht, und es eh keine Schokolade mag. Oder es schiebt die Schuld auf die doofen Eltern, die die Schokolade da hoch gestellt haben. Leider ist es oftmals bequemer, Ausreden zu suchen, um das negative Störgefühl loszuwerden, als das eigene Verhalten zu ändern.
Ich persönlich glaube, dass in vielen (Internet-) Diskussionen dieses Phänomen auftritt. Wenn der Fleischliebhaber sich vom Veganer angegriffen fühlt oder sieht, wie die Massentierhaltung wirklich ist, redet er sich lieber ein, es würde nichts nützen, wenn nur er seinen Konsum ändert, oder er regt sich darüber auf, warum der Veganer alle anderen bekehren will, statt sich selbst zu hinterfragen, ob er wirklich 7x die Tage Billigfleisch essen möchte. Oder er sucht nach Infos, dass der Anbau von Sojabohnen für Tofu nicht viel „grüner“ ist, als die Rinderzucht. (Ich weiß, überspitztes Beispiel, ich möchte auch keinem zu nahe treten, aber dazu anregen, über sich selbst nachzudenken, auch wenn es unbequem ist.)
Lobbyarbeit
Lobbyarbeit ist leider ein nicht zu unterschätzender Faktor, der den Bestätigungsfehler und die Kognitive Dissonanz unterstützt. Bei der Lobbyarbeit geht es um die Beeinflussung von Personen, um eine Meinung durchzusetzen, die bestimmten Interessen dient. Lobbyisten versuchen z. B. ständig, unsere Politiker zu beeinflussen, um ihre eigenen Interessen in der Gesetzgebung wiederzufinden. Warum sollte z. B. die Plastikindustrie ein Interesse daran haben, dass Plastikverpackungen gesetzlich weitestgehend eingeschränkt und nur noch da verwendet werden, wo sie absolut notwendig sind? Dann würden sie doch Umsatzverluste machen, Stellen abbauen müssen und so weiter.
Bei der Lobbyarbeit können z. B. Studien finanziert werden, die das Gegenteil bisheriger Studien beweisen. Oder es werden Drohungen ausgesprochen (vereinfacht: „Wenn ihr Gesetz x/y verwirklicht, sitzen in einem Jahr hunderttausende Leute arbeitslos auf der Straße – wollt ihr das wirklich?“). Oder oder oder. Mit den Sozialen Medien können Unternehmen heute die Meinungsbildung leicht beeinflussen und damit Lobbyismus betreiben. Wer viel zahlt, wird bei Facebook und Co. häufiger eingeblendet. Und je häufiger ich etwas lese, desto eher halte ich es für wahr. Und dann gewinnen vielleicht die Unternehmen, die falsch liegen, aber viel Geld in die Meinungsbildung gesteckt haben, und nicht die Forscher, die zwar richtig lagen, aber keine Möglichkeit hatten, ihre richtigen Erkenntnisse in die Welt zu tragen.
Fazit
Ich glaube, dass wir uns dieser drei „Fallen“ Bestätigungsfehler, kognitive Dissonanz und Lobbyarbeit bewusst sein müssen, wenn wir miteinander diskutieren, ob wir ein Umweltproblem haben oder nicht und wie wir dieses lösen. Ich selbst unterliege in meinem Denken vermutlich auch immer wieder diesen drei „Fallen“.
Wenn wir also irgendwo etwas lesen oder hören, sollten wir uns meines Erachtens immer wieder fragen und ggf. tiefergehend recherchieren:
- Woher stammt diese Information? Ist das wirklich eine neutrale, objektive Erkenntnis oder wurde sie von irgendwem mit einem bestimmten Interesse in die Welt gesetzt? Im Zusammenhang mit dem Internet: Was ist das für eine Webseite, auf der ich diese Information gefunden habe? Ist sie vertrauenswürdig oder wird sie z. B. von Verschwörungsfanatikern betrieben?
- Wer verbreitet diese Information? Welche Interessen hat diese Person?
- Was macht diese Information mit mir? Streite ich diese Ansicht ab und warum? Widerspricht sie meinem eigenen Weltbild und ist es einfacher, Gegenargumente zu finden, statt zu akzeptieren, dass man falsch lag? Bin ich bereit, meine eigene Ansicht fallen zu lassen und zu korrigieren? Wenn nein, warum nicht. Habe ich vor irgendetwas Angst? Wovor? Ist diese Angst begründet?
- Was sieht die Blase aus, in der ich lebe? Welche Vorstellungen habe ich? In welchen Blasen leben andere? Welche Vorstellungen haben andere vielleicht? Wie können wir miteinander kommunizieren, ohne uns gleich persönlich angegriffen zu fühlen?
Natürlich wird es schwer, alles zu hinterfragen und selbst zu recherchieren. Zu manchen Informationen haben wir vielleicht keinen Zugang. Oder wir haben keine Zeit, alles selbst herauszufinden. Und wir sind nicht in allen Gebieten Experten und wissen nicht alles. Aber wir sollten nicht alles einfach akzeptieren, nur weil es uns so gesagt wird – auch nicht von unserem Kopf oder Bauch. ;)
Also hinterfrage sowohl dich selbst in deiner Wahrnehmung als auch die Information und denjenigen, von dem du die Information bekommen hast.
Deine Vanessa
P.S.: Du kannst auch gerne mich hinterfragen. ;)
Hallo Vanessa,
danke für diesen Artikel! Super gut erklärt. :)
Die ersten beide Punkte sind wirklich spannende pyschologische Mechanismen – und wenn man sich ihner bewusst wird, kann man sie bei sich selbst (oder anderen) viel eher entdecken.
Die Lobbyarbeit ist auch extrem einflussreich – ich glaube, in Sachen Nachhaltigkeit findet die sich derzeit vor allem durch Greenwashing.
Ich stimme dir zu – es ist tatsächlich unglaublich komplex und zeitaufwändig, wenn man sich näher mit Nachhaltigkeit beschäftigt und halt auch mal die vermeintlich einfachen Alternativen hinterfragt. Wie etwa dein Tofu-Beispiel oben, oder Elektroautos statt Verbrennungsmotor. Da hängt oft extrem viel dran, was man auch alles berücksichtigen muss, von gerodeter Anbaufläche über Entsorgung der Akkus, seltene Erden und so weiter.
Ich bin gespannt auf deine weiteren Beträge!
Liebe Grüße
Anne
Halle Anne,
es freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Das momentane Greenwashing ist echt schwierig. Neulich habe ich eine Verpackung mit „Graspapier“ entdeckt, die groß verkündet hat, wie man mit ihr nachhaltig einkauft. Da habe ich mich direkt gefragt, ist das jetzt wirklich oder nur vermeintlich nachhaltig? Ich kann nur hoffen, dass Greenwashing immer auffliegt und dadurch auf Dauer dem entsprechenden Unternehmen schadet, weil es das Vertrauen der Konsumenten verliert. Man fühlt sich irgendwie nur noch veräppelt. Ein ehrlicher Umgang mit den Konsumenten wäre erstrebenswert. Und dass die Unternehmen an wirklich nachhaltigen Lösungen interessiert sind und nicht nur daran, wie sie mit Greenwashing ihre Gewinne optimieren. Vielleicht sollte ich Greenwashing nochmal in einem Extra-Beitrag aufgreifen… Danke für die Anregung!
Liebe Grüße
Vanessa